Novemberpogrom

Erhöhung des Verfolgungsdrucks und offene Gewalt




Parallel zum Kriegskurs verschärfte das nationalsozialistische Regime ab der zweiten Jahreshälfte 1937 die Entrechtung und Zurücksetzung der als Juden Verfolgten. In Österreich (‚Anschlusspogrome') und der Tschechoslowakei (‚Sudetenkrise') kam es bereits im Verlauf des Jahres 1938 zu offener antisemitischer Gewalt.

Ende Oktober wurden aus dem Regierungsbezirk Dresden 724 Juden polnischer Herkunft verhaftet und mit fast 17.000 anderen aus dem Deutschen Reich über die Grenze nach Polen abgeschoben.

 

Das Attentat des aus Hannover stammenden Herszel Feibel Grynszpan an einem Mitarbeiter der deutschen Botschaft in Paris bot den Anlass für die reichsweiten Pogrome am 9./10. November 1938. Auch in Dresden wurden die Synagoge zerstört, Bedienstete der Jüdischen Gemeinde gedemütigt sowie Geschäfte und Wohnungen von als Juden Verfolgten zerstört.

Demütigung von Beamten der Jüdischen Gemeinde vor der Ruine der Dresdner Synagoge am Vormittag des 10. November 1938. Zu sehen sind Leo Jehuda Schornstein (1. v. r.) und Rolf Pionkowski (2. v. r.). Links steht Johannes Clemens, der Leiter der Hauptaußenstelle des Sicherheitsdiensts der SS (SD). Clemens, NSDAP-Mitglied seit 1931, wohnte auf dem Lichtenbergweg 7 und war als ‚Schläger von Pieschen' berüchtigt.


Die Firma Rheostat und die Familie Kussi

Die nationalsozialistische Dresdner Tageszeitung ‚Der Freiheitskampf' berichtete am 11. November 1938 mit antisemitischem Unterton über die lokalen Pogromereignisse. Erwähnt sind darin auch Vorkommnisse bei dem Unternehmen Rheostat an der Großenhainer Straße 130/132:

Der Zeitungsbericht im ‚Freiheitskampf' vom 11. November 1938, der das Schicksal der Familie Kussi erwähnt.

„Die Geduld der Arbeitskameraden des Betriebes ‚Rheostat‘ in der Neustadt war am Donnerstag-morgen ebenfalls endgültig erschöpft. Sie forderten auf dem Fabrikhof die sofortige Entfernung der jüdischen Inhaber des Betriebes. Diese berechtigte Forderung wurde erfüllt. Die Juden wurden aus dem Betrieb gewiesen und einer der jüdischen Inhaber namens Kussi in Schutzhaft genommen.“


Verhaftet wurde der Firmenmitinhaber Frank Werner Kussi (später: Kussy). Nach seiner Entlassung floh er zunächst in die Niederlande.

 

Dort wurden er und weitere Familienmitglieder 1942 aufgegriffen und deportiert. Allein Frank Werner Kussi überlebte das Kriegsende. Sein Bruder, der Direktor des 1911 gegründeten und 1919/20 an die Großenhainer Straße verlegten Elektronikunternehmens Rheostat, Fritz Kussi, kam 1945 in Auschwitz um.

 

Kussi kehrte nach Dresden zurück und übernahm zunächst wieder die Leitung des Betriebs ‚Rheostat-Habege‘. Weil er angeblich als ‚jüdischer Intellektueller' verhaftet werden sollte, emigrierte er 1953 in die Vereinigten Staaten. Bemühungen der Familie Kussy um Entschädigung führten erst 2005 zu einer Einigung mit dem deutschen Staat.


Weiteres Wissenswertes zum Nachlesen und Anschauen

Forschungsprojekt BRUCH|STÜCKE

 Die Novemberpogrome

 in Sachsen 1938

 

Weitere Schicksale von Menschen, die von den Pogromen im Dresdner Norden betroffen waren